Geschäftsessen: Wissende Gastgeber und stilvolle Gäste

von Catherine Tenger | 31. Januar 2024

Geschäftsessen sind mehr als blosse Mahlzeiten. Sie sind eine Form der zwischenmenschlichen Kommunikation, eine Brücke zwischen formellen Begegnungen und persönlichen Beziehungen – und eine Art sozialer Klebstoff. Hier werden Verbindungen geknüpft, Vertrauen aufgebaut und informelle Gespräche ermöglicht, die oft die Basis für erfolgreiche Geschäftsbeziehungen bilden.

Die Wahl des Restaurants, die Sitzordnung, die Etikette und die Gespräche bei Tisch – all diese Elemente spielen eine entscheidende Rolle, um eine positive Atmosphäre zu schaffen, die sowohl professionell als auch persönlich ist. Erfahren Sie hier, wie Ihr Geschäftsessen am besten gelingt.

Die Kunst des Gastgebens: Wer vorbereitet, gewinnt

Hier sind einige Tipps, die Ihnen dabei helfen, bei Einladungen ins Restaurant stets eine hervorragende Gastgeberin oder ein hervorragender Gastgeber zu sein – gleichgültig, ob es sich um ein elegantes Gourmetrestaurant oder eine gemütliche Gastwirtschaft handelt.

1. Den Grund der Einladung kommunizieren: Seien Sie von Anfang an transparent, warum Sie Ihren Gast eingeladen haben. Ob es darum geht, jemandem etwas Gutes zu tun oder ein bestimmtes Geschäftsthema zu besprechen – klare Kommunikation ist die Basis für eine entspannte Begegnung. Übernehmen Sie als Gastgeber oder als Gastgeberin die Führung und leiten Sie bei Bedarf vom geselligen Teil des Treffens zum geschäftlichen Teil über.

2. Keine Experimente: Verlassen Sie sich bei der Wahl des Restaurants auf Bekanntes. Denn erfahrene Gastgeber wissen, wie es um die Akustik dort steht und welche kulinarischen Highlights auf der Speisekarte zu finden sind – und können so die Führung übernehmen.

3. Früh erscheinen: Gehen Sie etwas früher ins Restaurant, um den Tisch anzuschauen und das Servicepersonal freundlich zu begrüssen. Diese kleine Geste schafft nicht nur eine positive Atmosphäre, sondern führt in den meisten Fällen zu einem noch besseren Service. Sie können dabei auch einige organisatorische Details schon im Voraus klären, wie zum Beispiel die Art der Rechnung, ob man Ihnen bei der Weinauswahl behilflich sein soll und ob Sie zeitlich eingeschränkt sind. Klare Absprachen im Vorfeld ermöglichen es Ihnen, sich während des Treffens voll und ganz auf Ihre Gäste zu konzentrieren.

4. Gut platzieren: Überlegen Sie beim Anschauen des Tisches schon einmal, wie Sie sich und Ihre Gäste platzieren. Ihr eigener Platz sollte strategisch so gewählt sein, dass Sie jederzeit Blickkontakt zum Servicepersonal aufnehmen können. Ansonsten gehört der beste Platz Ihrem Gast – der mit der schönsten Aussicht, der am einfachsten zugängliche oder der bequemste.

5. Stilsicher bestellen: Helfen Sie ihren Gästen bei der Menüauswahl, indem Sie Empfehlungen aussprechen und sagen, was Sie selbst essen werden. So erhalten Ihre Gäste Hinweise bezüglich des Rahmens und der Anzahl der Gänge. Ausserdem bestellen und verkosten Sie den Wein – ausser Sie sind sich sicher, dass sich ihr Gast sehr gut mit Weinen auskennt  – dann sollten sie aber besser nicht an ein Budget gebunden sein.

6. Klasse beweisen: Behandeln Sie nicht nur Ihre Gäste wertschätzend, sondern auch das Servicepersonal. Das zeugt von Format.

Die Kunst des Gastseins: Empathie und Charakter  

Wie man sich als perfekte Gastgeberin oder perfekter Gastgeber verhält, ist ein oft diskutiertes Thema – dabei haben Gäste oft genauso viele Fragen. Hier finden Sie einige Anregungen.

Was Sie vermeiden sollten:

  1. Zu früh erscheinen: Pünktlichkeit ist wichtig. Aber es ist besser, nicht zu früh anzukommen. Planen Sie Ihre Ankunft so, dass Sie nicht vor der vereinbarten Zeit im Restaurant erscheinen. Dies gibt dem Gastgeber die Gelegenheit, letzte Vorbereitungen zu treffen.
  2. Sich verselbstständigen: Ähnlich wie bei privaten Einladungen sollten Sie im Restaurant nicht eigenmächtig agieren. Bestellen Sie keine zusätzlichen Gerichte oder Wein, und rufen Sie nicht eigenständig die Servicefachkraft an den Tisch.
  3. Die Einladung kapern: Auch wenn Sie möglicherweise höhergestellt sind: Widerstehen Sie dem Drang, die Kontrolle übernehmen zu wollen. Überlassen Sie dem Gastgeber oder der Gastgeberin die Führung, und akzeptieren Sie grosszügig die Einladung.

Was Sie zu einem vorbildlichen Gast macht:

  1. Die richtige Mischung aus Höflichkeit und Charakter: Die besten Gäste sind oft selbst erfahrene Gastgeber, da sie die Dynamik verstehen. Ein guter Gast ist höflich, respektvoll und zeigt gleichzeitig Persönlichkeit. Er bereichert die Tischgesellschaft, ohne sie zu überfordern.
  2. Seien Sie unkompliziert: Zeigen Sie sich entscheidungsfreudig, insbesondere bei der Auswahl der Speisen. Studieren Sie wenn möglich im Voraus das Menu online, um schneller zu entscheiden. Wenn Sie unsicher, aber unkompliziert sind, können Sie sich auch der Wahl des Gastgebers anschliessen.
  3. Wertschätzung ausdrücken: Bedanken Sie sich im Anschluss an das Essen auf persönliche und individuelle Weise. Loben Sie die Restaurantwahl, erwähnen Sie interessante Gesprächspunkte und zeigen Sie Wertschätzung für die gemeinsame Zeit. Persönliche und individuelle Rückmeldungen bleiben in Erinnerung.

Bei einem Geschäfts-Lunch oder -Dinner geht es um mehr als das Essen

Gemeinsame Essen bieten die Gelegenheit, mehr über die Personen, die Werte, das Unternehmen, die Kultur und die Interessen der anderen zu erfahren. In vielen Kulturen ist es üblich und sinnvoll, erst nach dem Hauptgang über das Geschäft zu reden. Bis dahin ist guter Small Talk gefragt, denn schon der amerikanische Schauspieler Walter Matthau hat erkannt: „Für ein gutes Tischgespräch kommt es nicht so sehr darauf an, was sich auf dem Tisch, sondern was sich auf den Stühlen befindet.“

______________________________________________________

Mehr zum Thema Soft Skills finden Sie in meinem Buch „Format“. Das finden Sie hier oder hier.

Erfolgreich Netzwerken – Wie Kontakte zu Beziehungen werden

von Catherine Tenger | 15. September 2023

Einer der entscheidenden Faktoren für den beruflichen Erfolg ist das Knüpfen und Kultivieren persönlicher Beziehungen. Zahlreiche Untersuchungen zeigen, dass ein gut gepflegtes Netzwerk massgeblich dazu beiträgt, mehr Geschäftsmöglichkeiten zu eröffnen, neue Impulse und Ideen zu generieren und mehr Einfluss zu nehmen – egal, ob für eine gute Sache, ein persönliches Ziel oder den Erfolg des Unternehmens.

Aber wie funktioniert gutes Networking? Hier ein paar Tipps.

Pflegen Sie Ihr Know-Who genauso wie Ihr Know-How

Die Wahrheit ist, dass Networking mehr bedeutet als die Erweiterung der Kontaktliste. Für die wenigsten ist es eine alltägliche Selbstverständlichkeit, für die sie sich bewusst Zeit nehmen.

Widmen Sie daher regelmässig einen bestimmten Teil Ihrer Zeit dem Networking. Knüpfen Sie Kontakte, pflegen Sie Bekanntschaften, tauschen Sie Informationen aus, nutzen Sie Synergien. Und vor allem: Tun Sie Personen in Ihrem Netzwerk einen Gefallen – ohne versteckte Motive oder die Erwartung, dass sofort etwas zurückkommt. 

Verlinken Sie andere

Unzählige Beispiele zeigen, dass Leute, die grosszügig bei der Vernetzung anderer sind, meistens ebenso bereitwillig mit Menschen zusammengebracht werden, zu denen sie sonst keinen Zugang hätten. Gegenseitigkeit ist ein soziales Grundprinzip, das seit jeher Nährboden für gute Beziehungen und Vertrauen ist.

Erstaunlicherweise geht dieser Grundsatz beim Kontaktmanagement oft vergessen: Der Fokus vieler Networking-Aktivitäten ist einzig darauf ausgerichtet, für sich selbst neue, nutzbringende Kontakte zu knüpfen. Die besten Netzwerker sind aber die, die Kontakte vermitteln, nicht nur suchen.

Wie Sie das umsetzen? Hören Sie im Small Talk aufmerksam zu. Wenn jemand zum Beispiel davon spricht, sich einmal selbständig machen zu wollen, überlegen Sie im Nachgang, ob Sie jemanden kennen, die oder der schon Erfahrung damit hat. Erkundigen Sie sich bei beiden Personen, ob sie interessiert sind, einander kennenzulernen. Wenn beide ja sagen, vernetzen Sie sie – ob persönlich, per Mail oder auf LinkedIn – und überlassen Sie ihnen das Weitere.

Tun Sie anderen Gutes und bitten Sie um Gefallen

Machen Sie es sich zu einer alltäglichen Gewohnheit, darüber nachzudenken, wem Sie von sich aus etwas Gutes tun könnten. Und wenn Sie um Unterstützung gebeten werden, machen Sie wenn möglich mit. Mit etwas Geduld kommt es früher oder später in irgendeinem Zusammenhang zurück. Die wenigsten Menschen vergessen, wenn man ihnen eine Gelegenheit geboten oder ihnen geholfen hat – und irgendwann, wenn es für Sie wichtig ist, werden Sie ohne moralische Bedenken um einen Gefallen bitten können.

Wenn es soweit ist, sollten Sie schnell zum Punkt kommen und nicht zögern. Je länger Sie sich im Gespräch mit der Bitte zurückhalten, desto eher laufen Sie Gefahr, dass es eine andere Richtung nimmt. Sie sind dann ausserdem nicht wirklich am Zuhören, da Sie im Hinterkopf damit beschäftigt sind, den passenden Moment für Ihren Einstieg zu finden.

Nutzen Sie die Stärke schwacher Beziehungen

Oft wird der Wert sogenannter «schwacher Beziehungen» unterschätzt. Wir neigen dazu, Menschen, mit denen wir nicht so vertraut sind oder zu denen wir unregelmässig und selten Kontakt haben, bei der Netzwerkpflege zu vergessen. Dabei sind es genau diese Beziehungen, die uns in beruflicher Hinsicht oft hilfreicher sein können als unsere engsten Freunde: Sozialpsychologisch gesehen sind die meisten Personen, zu denen wir eine starke Bindung aufbauen, uns ähnlich. Es ist leicht, sie kennenzulernen und das Zusammensein mit ihnen ist deshalb so angenehm, weil sie unsere Werte teilen und oft auch in einer ähnlichen Lebenssituation sind.

Wenn es jedoch darum geht, frische Impulse, neue Möglichkeiten und Zugang zu anderen Denkweisen zu erhalten, haben wir die besseren Chancen bei Leuten, die wir nicht so oft sehen, die uns nicht so ähnlich sind, die nicht die gleichen Dinge wissen und dieselben Leute kennen wie wir. Ein Netzwerk ist dann karriereförderlich, wenn die Personen darin nicht mehrheitlich aus der gleichen Branche, Hierarchiestufe, Interessensgruppe oder des gleichen Alters und Geschlechts sind.

Managen Sie Ihre Kontaktliste

Legen Sie eine Liste an mit privaten, beruflichen und sich überschneidenden Kontakten. Halten Sie fest, wann und wo Sie diese Person kennengelernt haben, was Sie gemacht und worüber Sie gesprochen haben, was die allfälligen nächsten Schritte sind. Und auch, durch wen Sie diese Person kennengelernt haben. Diese Personen sind Ihre Vermittler und wichtig! Auch sie müssen gepflegt werden.

Verkaufen Sie sich nicht

Es ist leicht, in die Networking-Falle zu tappen und sich nur zu verkaufen. Die meisten Menschen, ob auf ihrer bevorzugten Social-Media-Seite oder bei einer Networking-Veranstaltung, sind jedoch nicht darauf aus, etwas zu kaufen. Führen Sie lieber interessante Gespräche, anstatt auf Menschen einzureden. Die beste Art, sich zu verkaufen, ist, die beste Version von sich selbst zu sein (und nicht ein wandelndes Verkaufsgespräch). Das bedeutet, zu wissen, wofür Sie stehen, was Sie können und wofür Sie geschätzt werden wollen.

Was Networking wirklich bedeutet

Networking ist jede Aktivität, die dazu beiträgt, den Wert des gesamten Beziehungsgeflechts zu erhöhen – nicht nur für sich selbst. Anders gesagt: Wenn Sie aktiv dafür sorgen, dass andere von Ihrer Bekanntschaft oder der Beziehung zu Ihnen profitieren, haben Sie längerfristig die besten Chancen, auch von Ihrem Netzwerk belohnt zu werden. Pflegen Sie Ihr Netzwerk mit Weitsicht – nicht erst, wenn Sie es brauchen.

Dieser Artikel ist in Insights, dem Online Magazin der LGT in deutsch und englisch erschienen.

Wie gelingt Smalltalk?

von Catherine Tenger | 27. März 2023

Eine unterschätzte Kunst: Gekonnter Smalltalk bricht das Eis, öffnet Türen, verbindet Unbekannte. So gelingt er. 

Wer kennt die Situation nicht: Nach einem langen Arbeitstag besucht man noch eine Networking-Veranstaltung, lauscht einem ansprechenden Vortrag – und dann kündigen die Gastgeber den Aperitif an. Die Besucher strömen aus dem Plenum – Zeit für den Empfang und für Gespräche. Man würde am liebsten ein Glas trinken und dann verschwinden. Denn wie soll man auf jemand Wildfremden zugehen? Worüber soll man ohne besonderen Grund sprechen? Wie das Gespräch elegant verlassen?

Antworten auf diese und weitere Fragen zum Thema Small Talk finden Sie in meinem Gastbeitrag in Insights, dem Online Magazin der LGT Bank. Viel Vergnügen.

Jetzt haben wir den Salat

17. Juli 2023

Salate gelten als ideale Empfehlung für Ernährungsbewusste. Das war nicht immer so, denn im Lauf der Geschichte war Salat eher wechselhaft beliebt. Galt in der griechischen Antike das Mischen und Würzen eines guten Salates als hohe Kunst, erfuhr er erst mit gezielter Züchtung um die Zeit Karls des Großen in Mitteleuropa Verbreitung an den Höfen. Mit der Äbtissin Hildegard von Bingen wurde das grüne, aber nur gut gewürzte Blattgemüse richtig populär. In neuerer Zeit galt Salat zunächst als „Arme-Leute-Essen“ und wurde, wenn überhaupt, bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts ausschließlich als Beilage serviert. Heutzutage kann er sich seiner Existenz durchaus auch als Hauptgang erfreuen. Witze über das Grünzeug als Hasenfutter rufen nur noch müdes Lächeln hervor.

Salat niemals schneiden?

Manche fühlen sich beim Essen dem mitunter widerspenstigen Blattsalat ausgeliefert und haben dann noch diese veraltete Regel im Kopf: Salat niemals schneiden. Vor langer Zeit sollte angemachter Salat tatsächlich nur mit der Gabel gegessen werden. So wurden Messer geschont, deren Klingen aus Eisen und nicht legiert waren – und die im Kontakt mit Säuren schwarz anliefen. Heutzutage sind die Klingen aus rostfreiem Edelstahl und das Messer darf bei Salat sowie den meisten anderen Speisen zu Hilfe genommen werden. Ein zu großes Salatblatt kann gefaltet aber auch mit dem Messer zerkleinert werden. Am wichtigsten ist es, möglichst „unfallfrei“ zu essen. Neben dem Messer kann auch ein Stückchen Brot (mediterran elegant) als kleine Hilfe benutzt werden, um sperrige Salatblätter zu falten.

Wird der Salatteller immer links vom Gast serviert?

Nur, wenn er als Beilage auf den Tisch kommt. Dann sollte er möglichst mit der Gabel in der linken Hand gegessen. Als Vorspeise und Hauptgericht steht er direkt mittig vor den Gästen.

Salate kommen selten nur als grünes Blattwerk auf den Teller

Caesar Salad und Kollegen lassen grüßen. Manchmal wollen wahre Kunstwerke bezwungen werden. Maiskörner und Granatapfelkerne kullern herum, Cocktail-Tomaten springen vom Teller und rohe Gemüse-Julienne machen das Leben schwer. Falls diese Vielfalt nicht mit Messer und Gabel gemeistert werden kann, darf ruhig nach einem Löffel gefragt werden.

Sie haben da etwas Grünes zwischen den Zähnen…

Lassen Sie niemanden den ganzen Tag mit Kresse im Zahn-Zwischenraum lachen, denn auch wir selbst erwarten von unserem Gegenüber einen dezenten Hinweis auf solche unfreiwillige „Deko“. Die Vorstellung, erst später zuhause im Spiegel etwas hartnäckig Grünes bei sich selbst zu entdecken und zu rekapitulieren, wie viele Menschen uns an dem Tag so gesehen haben, ist absolut unangenehm. Idealerweise machen wir unsere Gäste zwischen zwei Gängen diskret darauf aufmerksam – damit sie direkt aufstehen und das Problem beseitigen können. 

Redaktion: Susanne Helbach-Grosser, TAKT & STIL, Imme Vogelsang, iv-imagetraining

Vielen Dank an meine Kollegin Susanne Helbach-Grosser, die für unser Netzwerk Etikette Trainer International diesen Beitrag geschrieben hat.

Wer jetzt Lust auf neue Salatteller hat und skandinavisches Geschirr so gerne mag wie ich, findet hier Inspiration!

Ist Etikette noch zeitgemäss? Sind Anstandsregeln überholt?

von Catherine Tenger | 20. September 2023

Umgangsformen unterliegen einem ständigen Veränderungsprozess. Sie entwickeln sich mit dem Zeitgeist, beeinflusst durch den Wandel in der Gesellschaft, Technik und Arbeitswelt. Welche Richtlinien gelten aber heute noch? Im Grunde sollte man durch höfliches Verhalten weder abfallen noch auffallen. Höflichkeit sollte als Standard angesehen werden, jedoch ist sie nicht immer mit formellem Verhalten verbunden. Ein Gespür dafür zu haben, wie viel Formalität in einer gegebenen Situation mit den unterschiedlichsten Menschen passend ist, kann den feinen Unterschied ausmachen. Daher macht es Sinn, sich immer mal wieder über die aktuelle Etikette zu informieren.

Kill a stupid rule

Genauso, wie Firmen mit der „Kill a stupid rule“-Methode Regeln und Abläufe in ihrem Unternehmen in Frage stellen, macht das die Gesellschaft im Laufe der Zeit mit den Regeln und Abläufen der Etikette. Der einzige Unterschied besteht darin, dass Firmen Neuregelungen bewusst und gezielt einführen. In der Gesellschaft passieren diese Veränderungen hingegen allmählich und nicht nach einem konkreten Plan. Die Fragestellung ist aber die gleiche: Was wird noch auf eine bestimmte Art und Weise getan, nur, weil es schon immer so gemacht wurde? Von welchen überholten Normen und Regeln sollten wir uns befreien? Was sind die ungeschriebenen Regeln?

Eine Neuregelung der Umgangsformen findet dann statt, wenn die Mehrheit einer Gemeinschaft diese Änderungen als angenehm, respektvoll, sinnvoll und anständig bewertet.

Ein informelleres Miteinander bedeutet nicht „Anything goes“

Ein lockerer Umgang und ungezwungeneres Auftreten, wie wir das in den letzten Jahren erleben – Schlagworte wie Du-Kultur, entspanntere Dresscodes, mehr Authentizität, Zoom-Calls – bedeuten allerdings nicht einen Verzicht auf Respekt und gutes Benehmen.

Die moderne Welt macht es zunehmend schwierig, freundlich, wertschätzend, tolerant und rücksichtsvoll zu sein. Wir sind mehr Menschen als je zuvor, aber wir leben immer isolierter und verlernen, die persönlichen Grenzen anderer zu respektieren. Anonymität macht selbstbezogenes Verhalten sehr viel einfacher.

Höflichkeit

Die Definition von Höflichkeit variiert je nach Strömung und Kultur. Im Kern bleibt sie aber gleich – immer und überall geht es dabei um soziales Einfühlungsvermögen. Dass wir Regeln oder Standards dazu haben und einhalten, hat für die meisten Menschen drei Gründe:

  1. Man möchte andere nicht vor den Kopf stossen.
  2. Man möchte von einer bestimmten Gruppe in einem bestimmten Umfeld angenommen werden.
  3. Man möchte sich nicht blamieren.

Überholte Regeln und wie man sie heute umsetzt

  • Wer öffnet wem die Türe?

Die Zeiten, als ein Mann durch die Türe vorausging, um die Sicherheit der Lage zu überprüfen, sind vorbei. Dafür hält er heute einer Frau die Türe auf, damit sie das Restaurant vor ihm betreten kann. Sie bleibt dann aber stehen und wartet auf ihn, damit er die Führung zum Tisch übernehmen kann. Und das gleiche gilt auch umgekehrt. Wenn Sie als Frau einen Mann einladen – sei das Ihr Kunde, Chef, Freund oder Onkel – machen Sie es genau gleich. Wer einlädt, führt. Nur wenn Sie vom Restaurantpersonal zum Tisch geführt werden, stellen Sie sich als Gastgeber hinten an.

  • Mit welcher Hand halte ich das Besteck?

Die Zeiten der absoluten Rechtshändigkeit sind ebenfalls vorbei. Linksesser dürfen ihr Besteck „andersherum“ halten und auch das Glas in die linke Hand nehmen. Abgelegt und abgestellt wird aber alles wieder auf der ursprünglichen Seite, um dem Servicepersonal das Leben nicht schwer zu machen, da von rechts eingeschenkt und abgeräumt wird.

  • Soll ich einen Anstandsrest auf dem Teller zurücklassen?

In der heutigen Zeit darf man in unserem Kulturkreis den Teller leer essen und muss nicht wie früher einen „Anstandsrest“ zurücklassen. Das ist zudem auch angebracht und zu empfehlen, um Food Waste zu vermeiden.

  • Wie ist der Verhaltenscode zwischen Mann und Frau?

Früher war klar: Der Herr öffnet der Dame die Autotür, rückt ihr beim Platznehmen den Stuhl, steht auf, wenn sie den Tisch verlässt und zurückkommt, er bestellt, er zahlt die Rechnung.

Man darf auch heute noch ein Gentleman der alten Schule sein – aber überlegen Sie bitte, wo und mit wem Sie unterwegs sind. Zum einen prägt Vielfalt und Gleichstellung den Lebensstil der Moderne und damit auch die Geschlechterrollen. Zum anderen wissen viele Frauen aber auch gar nicht, wie sie solche Gesten souverän annehmen sollen, da sie sie heute nur selten erleben. Es ist wie beim Tanzen: Wenn beide die Grundschritte kennen, kann der gut führende Mann alle möglichen Figuren machen und die wissende Frau schwebt elegant mit ihm übers (gesellschaftliche) Parkett. Wenn aber nur einer von beiden weiss, was er tut und es keine allgemeine Selbstverständlichkeit mehr ist, stolpert man von einem Tanzschritt zum nächsten. Im besten Fall führt das zu gemeinsam fröhlichem Gelächter und im Worst Case endet es in einem peinlichen Desaster.

Diese (den Umständen entsprechend) schönen Gesten eines Gentlemans gehören im Business-Kontext in die Kategorie „Kill a stupid rule“: Frauen verhalten sich geschäftlich wie ihre männlichen Kollegen, daher soll man sich aufgrund des Geschlechts nicht mehr unterschiedlich verhalten.

Wer die Führung übernimmt, hängt von Rang und Rolle ab, nicht vom Geschlecht. Die Grundschritte für alle sind dabei Respekt und Wertschätzung.

  • Wer bestellt im Restaurant?

Gastgeberinnen und Gastgeber helfen ihren Gästen bei der Auswahl, indem sie Empfehlungen abgeben und auch sagen, was sie selbst essen werden. So wissen die Gäste, wie der Rahmen aussieht – in Bezug auf das Budget und die Anzahl der Gänge.

Ist es an der Zeit, Bestellungen aufzunehmen, kann man, muss aber nicht, für seine Gäste bestellen. Was hingegen klar zu den Aufgaben der Gastgeber gehört, ist die Bestellung des Weins.

  • Wer bietet das Du an?

Das Duzen hat seit den Anfängen der deutschen Sprache verschiedene Stadien durchlaufen. Zwischen Erzen, Ihrzen und Siezen war das Duzen nur bei der ländlichen Bevölkerung und den niederen Ständen üblich, oder es war reine Männersache.

Heute ist es einfach und eindeutig:

  • Im Business schlägt die ranghöhere Person das Du vor
  • Im Privatleben ist der Altersunterschied entscheidend. Die sechzigjährige Person bietet der dreissigjährigen das Du an

Ob Mann oder Frau spielt dabei keine Rolle.

_______________________________________________

Dieser Artikel ist in Insights, dem Online Magazin der LGT in deutsch und englisch erschienen.

Soft Skills und die Statuswippe

von Catherine Tenger | 26. Januar 2023

Beim Thema Soft Skills geht es im Kern immer um zwei Dinge: Wie trittst du auf und wie gehst du mit anderen um. Und das ist alles eine Frage der Perspektive – oder anders gesagt, des Kontexts und des Status. Mit Status ist hier nicht die gesellschaftliche Stellung gemeint, sondern die Haltung, die man gegenüber einer einzelnen Person, einer Gruppe oder einem Raum in einer bestimmten Situation einnimmt.

Ursprünglich kommt der Begriff aus dem Improvisationstheater. Und weil Theater immer auch aus dem Leben gegriffen ist, können Sie Statusverhalten jeden Tag in Ihrem eigenen Umfeld erleben und beobachten. Es sagt etwas darüber aus, wie viel Zeit und Raum man sich nimmt, wie laut oder leise und wie viel man spricht, wie gross die Gesten ausfallen, wieviel man bestimmen kann, ob man Blickkontakt hält oder ihm ausweicht etc.

Wenn eine Begegnung positiv verläuft – sei das mit einem Kunden, einer Mitarbeiterin, einem Kollegen oder einer Freundin – sind beide Gesprächspartner abwechselnd im nahe beieinanderliegenden Hoch- und Tiefstatus. Ein Beispiel: Sie haben eine Sitzung mit einer Kundin in Ihrem Unternehmen. Sie sind im Hochstatus, der Raum gehört Ihnen – Ihre Bewegungen sind grosszügig, Sie durchschreiten die Lobby grossflächig, um sie in Empfang zu nehmen. Sie führen zum Sitzungszimmer, bieten der Kundin einen Platz an, offerieren ihr etwas zu trinken. Sie fragen, Sie führen. Sie haben soweit die Regie. Dann möchten Sie von ihr wissen, was sie sich wünscht, was ihre Bedingungen für eine Zusammenarbeit sind und machen ihr dadurch ein Statusangebot. Sie nimmt an, indem sie sagt: „Wir brauchen einen Partner, der bis in zwei Jahren unseren Namen im Markt festigt. Können Sie das?“ Ihre Kundin hat sich dabei vielleicht vorgelehnt, die Ellbogen auf dem Tisch etwas ausgebreitet und die Hände locker gefaltet, blickt Sie wach, direkt und gespannt an. Jetzt hat sie vom Tiefstatus in den Hochstatus gewechselt. Und nun sind Sie wieder dran: Sie haben sich gut vorbereitet, wissen, was zu tun ist, erkennen Prioritäten und beginnen engagiert und begeistert mit Ihrer Präsentation. Sie sind jetzt auf der Statuswippe also wieder oben. Ihre Gesprächspartnerin nimmt dabei eine abwartende, aufmerksame Haltung ein und hört Ihnen interessiert zu. Sie sitzt auf der Wippe wieder unten.

Wenn es gut läuft, ist das Statusspiel kein Machtspiel. Ein Machtspiel findet nämlich nur dann statt, wenn sich beide Haltungen zu weit voneinander wegbewegen. Bin ich zu hoch oben, trete ich arrogant, dominierend, abwertend, bestimmend auf. Zu tief, dann trete ich unterwürfig, verkrampft, unsicher, devot auf. Nehmen wir dazu das Beispiel von vorhin: Ihr Kunde hätte sich nicht interessiert und aufgeschlossen vorgebeugt, sondern sich vielleicht langsam zurückgelehnt, den Arm über die Stuhllehne gelegt, den Kopf zur Seite geneigt und Sie direkt, mit einer erhobenen Augenbraue und einem unbescheidenen Lächeln angeschaut: „Wir brauchen einen Partner, der bis in zwei Jahren unseren Namen im Markt festigt. Können Sie das?“ Und was passiert dann? Sie werden vielleicht unsicher, nervös, rechtfertigend und unterwürfig. Oder Sie kontern ebenso arrogant und stehen vielleicht lässig auf, legen Ihre Hände auf die Rückenlehne Ihres Sessels, atmen betont langsam ein und aus und sagen, ebenfalls süffisant lächelnd: „Wir sind die erfolgreichste Agentur in der Branche, unsere Kundenliste liest sich wie das Who-is-Who der Privatwirtschaft – ich denke, wir kriegen das auch für Ihr Startup hin.“ Sie verstehen, was ich meine. Beide schaukeln sich in einen Hochstatus, der die Balance ins Wanken bringt. Das wird so auf lange Sicht kein gutes Kundengespräch, sondern ein Powergame. Macht oder auch nur das subjektive Gefühl von Macht ist eine erwiesenermassen schlechte Voraussetzung für die Perspektivenübernahme, d.h. der Fähigkeit, die Situation bzw. die Welt mit den Augen des anderen sehen zu können.

Was können Sie dann aber tun? Der Schlüssel liegt in Ihrem inneren Status. Wenn Sie innerlich gefestigt, überzeugt und gut vorbereitet sind, wenn Ihr Standpunkt für Sie selbst glasklar ist, dann haben Sie Selbstvertrauen. Sie sind also innerlich im Hochstatus und bleiben es während der gesamten Begegnung. Mit dieser Voraussetzung können Sie selbst entscheiden, wann Sie sich nach aussen hin durchsetzungsstark, voller Energie und mit Überzeugungskraft präsentieren. Aber Sie erkennen auch, wann es Sinn macht, sich zurückzunehmen, dem anderen Raum zu geben und den Hochsitz auf der Wippe Ihrem Gegenüber zu überlassen.

Hier ein paar Beispiele, wie Sie Ihrem inneren Hochstatus im Alltag bewusst Schub geben können:

Machen Sie sich mit der Umgebung vertraut. Je besser Sie einen Raum kennen, desto souveräner können Sie sich darin bewegen.

  • Sie müssen eine Präsentation halten? Stellen Sie sicher, dass Sie vor Ihrem Auftritt – wenn auch kurz – Zeit haben, sich am Ort umzusehen, den Raum zu spüren, sich Ihre Zuhörer vorzustellen (auch in den sprichwörtlichen Unterhosen, falls Sie zu Lampenfieber neigen), wie weit weg sie sitzen, wo Sie sich bewegen werden, wie es mit der Technik aussieht. Der Raum gehört dann Ihnen.
  • Sie haben eine Kundensitzung im eigenen Haus? Gehen Sie schon einmal in das Sitzungszimmer und legen Sie Ihre Unterlagen und Ihren Laptop dort ab, bevor Sie Ihren Gast an der Rezeption abholen. Das steigert Ihre Ausstrahlung und Ihren Status als empfangende Person.
  • Eine Sitzung, bei der Sie nicht die Gastgeber sind? Wenn Sie im Sitzungszimmer oder am Empfang warten müssen, bleiben Sie stehen, schauen Sie sich die Umgebung, die Auslagen, die Kunst an den Wänden an, wechseln Sie ein paar freundliche Worte mit dem Empfangspersonal. Ihre so entstehende Vertrautheit wird Ihnen Souveränität und mehr Lockerheit verleihen.
  • Sie laden jemanden ins Restaurant ein? Gehen Sie etwas früher hin, schauen Sie sich den Tisch an, stellen Sie sich der Servicefachkraft persönlich vor und fragen Sie sie auch nach ihrem Namen. Wenn Sie ihr dann noch sagen, dass Sie eine wichtige Einladung haben und ihr dankbar sind, wenn sie Ihnen dabei hilft, ein guter Gastgeber zu sein, erhalten Sie in den meisten Fällen so viel Rückendeckung, dass Sie sich komplett auf Ihren Gast konzentrieren können. So, als hätten Sie ihn zu sich nach Hause eingeladen.

Hier ein paar Beispiele, wie Sie mit Ihrem inneren Hochstatus situativ und vorübergehend den Hochsitz auf der Statuswippe abgeben können:

  • Falls Sie anderen Menschen gegenüber hierarchisch höher stehen, sagen Sie ihnen auch, wenn Sie etwas von ihnen gelernt haben.
  • Wenn jemand für ein Gespräch in Ihr Büro kommt, setzen Sie sich mit der Person an einen separaten Sitzungstisch, falls Sie einen haben, statt hinter Ihrem Schreibtisch „Audienz“ zu halten.
  • Bitten Sie Ihr Gegenüber um einen Gefallen, einen Rat, eine Meinung.
  • Nehmen Sie weniger Raum ein, sowohl physisch als auch akustisch.
  • Entschuldigen Sie sich, wenn Sie einen Fehler gemacht haben.
  • Lachen Sie über sich selbst.

Denken Sie immer daran, dass Sie auf der Statuswippe kleine Auf- und Ab-Bewegungen machen. Sie wissen ja noch, wie das damals war auf dem Spielplatz: Wenn Sie beim Schaukeln zu heftig und tief nach unten sausen, schleudern Sie Ihren Partner unter Umständen in unbeabsichtigte Höhen.

______________________________________________________

Mehr zum Thema Soft Skills finden Sie in meinem Buch „Format“. Das finden Sie hier oder hier.

Überlebenshilfe fürs Weihnachtsessen

von Catherine Tenger | 5. Dezember 2022

In der Vorweihnachtszeit häufen sich die Einladungen – sowohl geschäftlich als auch privat. Oft weiss man gar nicht mehr, wie man alles unter einen Hut bringen soll. Im privaten Rahmen läuft das meistens sehr entspannt ab, man kennt sich und geht vertraut miteinander um. Aber wie sieht das im Geschäftsleben aus?

Spricht man von Tischkultur, denken die meisten automatisch an das grosse Gedeck und das Zerlegen eines Hummers. Aber Tisch- oder Esskultur ist umfassender als Tischsitten; sie ist die Pflege eines bestimmten Lebensgefühls. Für die einen ist es der Genuss der gehobenen Küche im Sternerestaurant, für andere die Glückseligkeit einer Bratwurst am Weihnachtsmarkt und für viele von uns ist es das Kochen für Familie und Freunde in den eigenen vier Wänden. Sich am Tisch zu versammeln und gemeinsam zu essen ist weitaus mehr als reine Verpflegung oder ein Zeremoniell. Essen verbindet – ganz egal, ob es auf einem Porzellan- oder auf einem Pappteller serviert wird. Formelle Regeln und das grosse Gedeck sind nicht die Voraussetzung für ein gelungenes Essen mit anderen Menschen – solange wir uns bewusst sind, dass es sich nicht gehört, mit offenem Mund zu kauen, mit dem Besteck zu fuchteln, uns über den Teller zu hängen und solange wir einfach grundsätzlich keine ästhetische Herausforderung für unsere Tischgenossen sind, weder akustisch noch visuell.

Und doch: Dann sitzt man beim Weihnachtsessen mit einem Kunden im Restaurant oder bei einem Vorstellungsgespräch (für den neuen Job oder bei den potentiellen Schwiegereltern) und stellt sich im Hinterkopf Fragen, die man sich beim Essen mit Freunden in ungezwungener Atmosphäre so nicht stellen würde: Soll ich im oder vor dem Restaurant warten? Mich bei der Servicekraft jedes Mal bedanken, wenn sie mir einschenkt oder ist das unhöflich meinem Gesprächspartner gegenüber? Wer bestellt? Wie viel? Wie setzen wir uns hin? Kann ich mein Brot in die Sauce tunken? Welches Besteckteil brauche ich jetzt? Muss ich das essen?

Etwas in dieser Beziehung herzumachen ist schon deshalb vorteilhaft, weil Verhandlungen – und offenbar auch Dates – nachweislich besser laufen, wenn man dabei gemeinsam am Tisch sitzt. Da ist man mit der Kenntnis der Regeln im Vorteil, weil sie Orientierung bieten und Sicherheit geben. Ausserdem kann ein gewisses „Savoir-faire“ in vielen dieser Fälle matchentscheidend sein.

So schenke ich Ihnen nachfolgend als Überlebenshilfe für alle Weihnachts- und sonstige Essen ein kleines Tischmanieren-Lexikon und wünsche Ihnen eine frohe und entspannte Adventszeit. Wenn Sie wissen möchten, was gute Gastgeber_innen ausmacht und wie man als Gast eine gute Figur macht, dann schenken Sie sich mein Buch FORMAT.

Herzlich, Ihre Catherine Tenger

Anstandsrest

In der heutigen Zeit darf man in unserem Kulturkreis den Teller leer essen und muss keinen Anstandshappen mehr zurücklassen. Ist zudem auch angebracht und zu empfehlen, um Food Waste zu vermeiden.

Anstossen

Nur in kleiner Runde und nur mit Wein, Champagner, Sekt und Prosecco, heute auch mit Wasser in einem Glas mit Stiel. In grösseren Runden, wenn es etwas zu feiern gibt (dann aber aufstehen, um mit allen anstossen zu können). Die Initiative zum Anstossen übernehmen immer die Gastgeber (siehe auch Zuprosten). Tun sie es nicht, sollten Gäste nicht eigenmächtig die Gläser klingen lassen.

Apéro (Anlass)

Gesellschaftlicher Brauch in der Schweiz und in Frankreich, fester Bestandteil der Alltagskultur – ein Get-together bei Getränk und Fingerfood. Der Apéro kann am Anfang oder am Ende der Veranstaltung (z.B. Vortrag, Vernissage, Theaterstück etc.) und auch begleitend dazu stattfinden, sowie als Einstimmung auf das eigentliche Essen.

Der Apéro riche (oder Apéro dînatoire) ersetzt eine Mahlzeit, da eine ganze Menüfolge serviert wird (als Flying Dinner oder als Buffet).

Beim Apéro muss nicht mit dem Trinken gewartet werden, bis es vom Gastgeber initiiert wird. Jeder beginnt zu seiner Zeit und kann denjenigen zuprosten oder mit ihnen anstossen, mit denen er im Gespräch ist.

Nüsschen nur mit einem Löffel nehmen und in die Hand legen. Nie mit der Hand ins Schälchen greifen.

Spiesse und Olivensteine auf Tellerchen oder kleine Papierservietten legen, nie auf die Platte zurück.

Gemüse-Sticks etc. nur in den Dip auf dem eigenen Teller tauchen. Bei allgemeiner Dip-Schale nie zweimal dippen.

Apéro/Aperitif (Getränk)

Appetitanregende Getränke, die vor dem Essen eingenommen werden, z.B. Champagner, Prosecco, trockene Weissweine, Pastis, Sherry, Kir, Campari-Variationen, Aperol, Pre-Dinner-Cocktails, Sanbittèr, Crodino etc.

Bier ist per Definition kein Aperitif, heisst aber nicht, dass man es nicht vor dem Essen trinken darf. Korrekterweise bestellt man aber „ein Bier statt eines Aperitifs“.

Wenn bei einer Veranstaltung der Apéro in einem anderen Raum als das Essen stattfindet, wird das Aperitif-Glas nicht mitgenommen, wenn man sich an den Tisch setzt. Ausgenommen, man wird von den Gastgebern dazu aufgefordert.

Besteck (Gedeck)

Wird von innen nach aussen aufgedeckt. Benutzt wird es von aussen nach innen.

Die Gabel und das Messer der Hauptspeise liegen ganz innen, am nächsten beim Teller; das Besteck für die erste Vorspeise ganz aussen.

Rechts werden maximal vier Besteckteile (inklusive Suppenlöffel), links maximal drei eingedeckt. Gibt es mehr als vier Gänge vor dem Dessert, wird zusätzliches Besteck mit dem jeweiligen Gang serviert. Ist dies der Fall, benutzt man nur das mitgereichte Besteck.

Besteck (Handhabung)

Essbesteck soll so unauffällig wie möglich verwendet werden, sowohl visuell als auch akustisch. Das bedeutet möglichst wenig Platz einzunehmen, nicht mit dem Besteck in der Hand zu gestikulieren und nicht zu kratzen oder zu klappern.

Die Gabel beim Schneiden nicht in der Faust halten, sondern den Zeigefinger in Richtung Gabelwölbung strecken.

Die Gabel zum Mund führen wie einen Spiess mit der Wölbung nach oben (britische Art) oder nach dem Schneiden die Gabel drehen und mit den Zinken nach oben, wie eine Schaufel (französische Art) – in unserem Kulturkreis ist beides OK.

Suppenlöffel mit der Spitze zum Mund führen und nach dem Essen auf den Unterteller ablegen (wenn es einen gibt), nicht im Teller oder in der Tasse. Das gilt für alle Löffel – auch bei Desserts und anderen Speisen, die mit einem Unterteller serviert werden.

Besteck (Sprache)

Je nachdem, wie Sie das Besteck ablegen, signalisieren Sie:

Danke, ich bin fertig.

Messer und Gabel werden auf dem Teller abgelegt wie die Zeiger einer Uhr, wenn sie auf 16.25 Uhr steht. Für alle Digital Natives, die kein Zifferblatt mehr kennen: Die Griffe liegen in der Mitte des unteren rechten Viertels, die Spitzen in der Mitte des Tellers. Das Messer liegt dabei oberhalb parallel zur Gabel mit der Klinge zu Ihnen gerichtet, die Gabel liegt auf ihrer Wölbung, die Zinken zeigen nach oben.

Ich bin noch nicht fertig, ich mache eine Pause.

Messer und Gabel werden auf dem Teller abgelegt wie die Zeiger einer Uhr, wenn sie auf 08.20 Uhr steht, bzw. wie ein Giebeldach. Die Griffe werden nicht auf die Tischplatte abgelegt, beide Besteckteile liegen komplett auf dem Teller, die Gabelzinken zeigen nach oben.

Bestellen

Gastgeber helfen ihren Gästen bei der Auswahl, indem sie Empfehlungen abgeben und auch sagen, was sie selber essen werden. So wissen die Gäste, wie der Rahmen ist – in Bezug auf das Budget und die Anzahl der Gänge.

Sollte der Gastgeber die Empfehlung vergessen, sucht sich ein stilvoller Gast zwar eine Vorspeise aus, behält es aber vorläufig noch für sich und sagt erst einmal, was er zum Hauptgang gewählt hat. Wenn der Gastgeber nach der Wahl der Vorspeise fragt, ist klar, dass dies im Rahmen liegt.

Bestellen Sie immer gleich viele Gänge wie Ihr Gast oder Gastgeber.

Der Gastgeber kann, muss aber nicht, für seine Gäste bestellen. Wenn er es nicht tut, lässt er seinen Gästen den Vortritt und gibt auch der Servicekraft ein entsprechendes Zeichen. Der Gastgeber gibt dann als letzter seine Bestellung auf, inklusive des Weines.

Brot, Brötchen (Beilage)

Nicht abbeissen, sondern mundgerechte Stücke abbrechen. Wenn Butter oder ein anderer Aufstrich dazu gereicht wird, etwas davon auf den eigenen Brotteller nehmen und portionenweise auftragen und essen.

Brot nicht in der Sauce tunken oder den Teller damit auswischen. Allenfalls mit der Gabel ein kleines Stückchen Brot in die Sauce tupfen.

Brotteller

Steht links und wird nicht in die Mitte gezogen

Buffet

Die Gastgeber gehen mit den Gästen ihres Tisches als erste ans Buffet. Bei Stehempfängen eröffnet der Gastgeber zwar das Buffet, bedient sich dann aber selbst als Letzter.

Bei einem erneuten Gang ans Buffet bleibt der gebrauchte Teller am Platz liegen und sollte in der Zwischenzeit vom Servicepersonal weggeräumt werden. Wenn Sie zurückkommen und der Teller ist immer noch da, können Sie ihn zur Tischmitte hinschieben. Teller werden nicht gestapelt.

Auf dem Weg vom Buffet an den Tisch müssen Sie dem Drang widerstehen, vom Teller zu picken.

Lieber mehrmals ans Buffet gehen, als sich den Teller vollzuladen.

Cappuccino

Nach dem Essen sollte man keinen Cappuccino trinken. Milch verlangsamt die Verdauung und belastet den Magen nach der Mahlzeit unnötig durch ihre sättigende Wirkung, macht träge und müde. Ausserdem beleidigt man den Koch, denn man gibt ihm damit zu verstehen, dass das Essen nicht ausreichend war.

Ein schwarzer Espresso nach dem Essen wirkt sich hingegen positiv auf den Körper aus. Er macht nicht nur munter, die Bitterstoffe regulieren auch die Produktion der Magensäure. Zusätzlich hilft er, die Mundflora wieder ins Gleichgewicht zu bringen, denn die enthaltenen Polyphenole bekämpfen Bakterien und Zahnbelag.

„Caffè“ ist übrigens in Italien gleichbedeutend mit dem, was wir in der Schweiz, Deutschland und Österreich „Espresso“ nennen.

Damenhandtasche

Grössere Handtaschen neben sich auf den Boden stellen (so, dass das Servicepersonal nicht darüber stolpert). Clutches unter die Serviette auf den Schoss legen oder hinter sich auf den Stuhl (bei geschlossener Stuhllehne).

Ellbogen

Gehören beim Essen nicht auf den Tisch, nur die Hände und bis zu einem Drittel auch die Unterarme. Die Hände können zwischen den Gängen auch auf den Schoss gelegt werden.

Finger

Mit den Fingern darf bei Tisch dann gegessen werden, wenn Erfrischungstücher zum Gang gereicht werden oder eine Fingerschale links oberhalb des Brottellers eingedeckt wird. Darin sind lauwarmes Wasser und etwas Zitrone zur Bindung des Fetts. Die Fingerschale kommt mit einer eigenen Serviette, um die Fingerspitzen abzutrocknen. Für die Finger nicht die Mundserviette, die auf dem Schoss liegt, benutzen.

Getränke bei Tisch

Das einzige alkoholfreie Getränk, das zu einem stilvollen Festessen passt, ist Wasser. Süssgetränke harmonieren nicht.

Wird die Weinsorte beim nächsten Gang gewechselt, lässt man den allfälligen Rest des vorhergehenden Weins im Glas stehen.

Gläser (Gedeck)

Das Weinglas für die Hauptspeise (meistens ein Rotweinglas), steht oberhalb der Spitze des Hauptgang-Messers. Rechts davon ist das Weinglas zur Vorspeise (meistens ein Weissweinglas). In der Schweiz steht das Wasserglas entweder links vom Glas zur Hauptspeise oder im Dreieck hinter den zwei Weingläsern. In Deutschland steht das Wasserglas ganz rechts oder auch im Dreieck hinter den Weingläsern.

Gläser (Handhabung)

Gläser mit Stiel immer am Stiel anfassen und nicht am Kelch. Gläser ohne Stiel im unteren Drittel halten.

Handy

Gehört nicht auf den Esstisch.

Jacke, Jackett, Blazer, Sakko ausziehen

Bei formellen Anlässen erst dann, wenn die Gastgeber es anbieten oder die ranghöchste Person die Jacke ausgezogen hat.

Bei Geschäftsessen an heissen Tagen: Sprechen Sie sich ab, bitten Sie um Erlaubnis oder bieten Sie es an – je nach Rolle. Aber überlegen Sie immer, wie Sie in der Situation wirken wollen.

Kork im Glas

Nicht mit den Fingern herausangeln, sondern mit einem sauberen Löffel oder Messer. Oder bitten Sie um ein neues Glas.

Linkshänder am Tisch

Linkshänder sollen den Tisch nicht umarrangieren, können aber Besteck und Gläser so benutzen, dass es für sie angenehm ist. Abgelegt und abgestellt wird jedoch wieder so, wie es Rechtshändige tun. Das erleichtert dem Service die Arbeit.

Wenn Sie Fisch bestellen, fragen Sie nach, ob das Restaurant ein seitenrichtiges Fischmesser für Linkshänder hat. Es ist zwar nicht überall vorhanden, aber vielleicht haben Sie ja Glück.

Miesmuscheln

Miesmuscheln, Moules oder Cozze isst man mit den Fingern, indem man eine Muschel als Zange benutzt, um das Fleisch aus den anderen Muscheln auszulösen. Oder man hält eine Muschel in der einen Hand und benutzt mit der anderen eine Gabel.

Miesmuscheln sollte man nur in Monaten mit „r“ essen, das heisst in der kälteren Jahreszeit von September bis April. Von Mai bis August haben die Meeresfrüchte Laichzeit und das Muschelfleisch ist in diesen Monaten von minderer Qualität. Ausserdem filtern Muscheln in den warmen Sommermonaten besonders viele Algen aus dem Wasser. Bestimmte Algenarten hinterlassen Gift im Muschelfleisch.

Niesen bei Tisch

Rücken Sie den Stuhl etwas zurück, wenn Sie niesen oder husten müssen. Wenn Sie schnell genug sind, holen sie ein Taschentuch hervor. Wenn es Sie übermannt, niesen Sie in die Armbeuge, nicht in die Hand oder Mundserviette. Wenn Sie neben Ihrem Partner oder Ihrer Partnerin sitzen, drehen Sie sich zu ihm/ihr ab.

Ober

Wenn Sie den Namen der Servicekraft nicht kennen, rufen Sie nicht „Ober!“, „Fräulein!“ oder „Bedienung!“ – das ist passé. Suchen Sie Blickkontakt und machen Sie eine freundliche Handbewegung.

Probieren/Kosten

Vom Teller des anderen zu kosten, ist nur in einem vertrauten, persönlichen und informellen Setting angebracht und auch nur dann, wenn der andere einverstanden ist oder es anbietet. Greifen Sie nicht über den Tisch in den Teller des anderen und füttern Sie einander auch nicht. Fragen Sie stattdessen den Service nach einem kleinen Extrateller, auf den Ihr Tischpartner etwas von seinem Essen mit Ihnen teilen kann und umgekehrt.

Rauchen

Verzichten Sie darauf, bei einem Essen zwischen den Gängen zu rauchen. Wenn Sie hinausgehen, entstehen Lücken am Tisch und die Konversation leidet darunter. Ausserdem bringt man den Zigarettenduft zurück an den Tisch, was Nichtraucher beim Essen als sehr störend empfinden können – genauso wie starkes Parfum, übrigens.

Warten Sie, bis die Teller vom Hauptgang abgeräumt sind; das ist der früheste Zeitpunkt für eine Zigarette. Bevor Sie an den Tisch zurückkehren, ist es nur höflich, sich die Hände zu waschen und den Atem zu erfrischen.

Servicepersonal

Wenn Sie eingeladen sind, bestellen Sie nicht von sich aus das Restaurantpersonal an den Tisch. Lassen Sie Ihren Gastgeber wissen, wenn Ihnen etwas fehlt.

Danken Sie der Servicekraft, wenn Sie Ihnen einschenkt oder das Essen serviert. Wenn Sie gerade in einer Unterhaltung sind und den Redefluss nicht unterbrechen wollen, geht das auch mit einem Nicken, Lächeln oder freundlichen Blick.

Serviette

Liegt auf der linken Seite oder in der Mitte. Sie wird auf den Schoss gelegt, nachdem man sich hingesetzt hat, spätestens, wenn der erste Gang serviert wird.  Bei einer Einladung wartet man darauf, bis es die Gastgeber tun.

Serviette in der Mitte falten, die Öffnung zum Körper hin. So kann man sich mit der Innenseite der oberen Hälfte des Tuchs den Mund abtupfen und die Aussenseite bleibt sauber.

Vor dem Trinken immer die Lippen abtupfen, damit keine Spuren auf dem Glas zu sehen sind.

Die Serviette bleibt bis nach dem Dessert auf dem Schoss liegen und wird erst dann (bei Einladungen erst, wenn es die Gastgeber getan haben) locker gefaltet links neben dem Gedeck abgelegt. So auch, wenn Sie den Tisch zwischendurch mal kurz verlassen müssen.

Papierservietten müssen nicht auf den Schoss gelegt werden, wenn sie abfärben könnten. Nach dem Essen nicht auf den Teller, sondern links daneben legen.

Suppenteller kippen

Rechtshänder dürfen ihn nach hinten rechts neigen, um den Rest im Teller auslöffeln zu können, Linkshänder nach hinten links.

Tischordnung

Je höher der Rang, desto näher zu den Gastgebern. Die bei einem gegebenen Anlass wichtigsten Gäste sitzen rechts der Gastgeber. Auf der jeweiligen linken Seite die Gäste mit dem zweithöchsten Rang. Gastgeber sitzen sich gegenüber. Als einzelner Gastgeber kann man den Ehrengast auch gegenüber platzieren.

Tischrede

Die wichtigste Tischrede wird zwischen Hauptgang und Dessert gehalten und sollte nicht länger als fünf bis höchstens zehn Minuten dauern. Während einer Tischrede soll nichts serviert oder eingeschenkt werden und stilvolle Gäste trinken und essen dabei auch nicht.

Unverträglichkeiten und Vorlieben

Wenn Sie etwas nicht essen können, dürfen oder möchten, sagen Sie es gleich bei der Einladung, damit Sie bei Tisch nicht etwas ablehnen müssen und Umstände entstehen.

War das nicht möglich, fragen Sie zu Beginn des Essens nach dem Menu und dann gegebenenfalls nach einer Alternative.

Wein bestellen

Gastgeber bestellen den Wein. Ausser sie sind sich sicher, dass ihr Gast ein Weinkenner ist – dann sollten sie aber besser nicht an ein Budget gebunden sein…

Zahnstocher

Nie bei Tisch gebrauchen. Zahnstocher mitnehmen und den Tisch verlassen, um störende Essensreste zwischen den Zähnen zu entfernen.

Zuprosten

Gäste warten, bis der Gastgeber das Trinken des alkoholischen Getränks eröffnet. Wasser darf von Anfang an getrunken werden, ohne dass man auf ein Zeichen warten muss. Der Gastgeber nimmt das Glas auf Brusthöhe, schaut in die Runde und prostet seinen Gästen zu. Am elegantesten mit einem „Zum Wohl“ oder „Auf einen schönen Abend“. Alle nehmen einen Schluck, suchen nochmals Blickkontakt in der Runde und setzen dann ihr Glas ab.

Beim Apéro muss nicht mit dem Trinken gewartet werden, bis es eröffnet wurde. Jeder beginnt zu seiner Zeit und kann denjenigen zuprosten, mit denen er im Gespräch ist.

Lachen Sie genug? – Ein Plädoyer für mehr Humor in Business Präsentationen.

von Catherine Tenger | 31. Oktober 2022

Wie wichtig ist es für Sie, gut vor anderen Menschen präsentieren oder sprechen zu können? Meiner Meinung nach gibt es fast keinen Arbeits- oder Lebensbereich, bei dem es nicht von Vorteil wäre, ein Thema überzeugend, irgendwie auch unterhaltsam und aus dem Herzen heraus vorzutragen. Sei es bei einer Teamsitzung, in der Sie Ihre Arbeitsergebnisse präsentieren, vor einem Kunden, dem Sie Ihre neue Produktelinie vorstellen oder als Rednerin an der Hochzeit Ihrer besten Freundin. Selbst vermeintlich trockene Zahlen oder komplexe Themen können packend sein, wenn sie auch so präsentiert werden. Den Beweis dafür lieferte der verstorbene schwedische Professor für Weltgesundheit, Hans Rosling, immer wieder. Falls Sie ihn noch nie über globale Gesundheits- und Armutsstatistiken haben reden hören, gönnen Sie sich seine TED Talks – sie sind ein wahres Erlebnis. Oder wie TED es beschreibt: „In den Händen von Rosling fangen Daten an zu singen.“

Dass Heiterkeit, Witz und eine gute Geschichte wichtiger Bestandteil eines gelungenen Vortrags sind, haben wir vermutlich alle schon selbst miterlebt – als Zuhörer oder Redner. Humor hat nicht nur eine positive Wirkung auf den Beziehungsaufbau zwischen dem Vortragenden und seinem Publikum – ein kollektives Lachen oder Schmunzeln fördert auch die Beziehung der Zuhörer untereinander.

Denken Sie an ein Fest, an dem Sie gemeinsam mit anderen Gästen über etwas gelacht haben oder an einen Kurs, der mit einem Einstieg begann, der Sie und die restlichen Teilnehmenden zum Schmunzeln brachte. Waren Sie den anderen da nicht gleich ein bisschen näher? Beobachten und vergleichen Sie schon nur mal die Vorstellungsrunden bei Meetings oder Seminaren. Wie fallen sie aus, wenn es gleich seriös zur Sache geht und was passiert, wenn die Gruppe vorher Gelegenheit zu gemeinsamer Heiterkeit hatte? Die Vorstellungsrunden im zweiten Fall sind immer lockerer, persönlicher und interessanter. Denn positiver Humor stärkt das gegenseitige Vertrauen und Verständnis, er wirkt entkrampfend und fördert das Gefühl der Gruppenzugehörigkeit.

Kontextbezogene humorvolle Beispiele tragen auch zum Verstehen und Abspeichern von vorgetragenen Inhalten bei. (Wenn Sie mehr darüber erfahren möchten, finden Sie ein Kapitel dazu in meinem Ratgeber FORMAT.) Wenn Sie Ihre Zuhörer gut unterhalten können, verdienen Sie sich ihren Goodwill und damit umso mehr Raum, die seriösen Themen anzubringen.

Aber das ist noch nicht alles. Die Fähigkeit zur Erheiterung ist vor allem gesund, stärkt die Resilienz und lässt uns gelassener durchs Leben gehen. Humor ist nicht den Naturtalenten vorbehalten, er ist eine Fähigkeit, die man lernen und stärken kann, zum Beispiel bei einem Humortraining. Probieren Sie es aus!

Ich wünsche Ihnen viel Spass dabei und bis zum nächsten Mal!

P.S. Wenn Ihnen das gefällt, gefällt Ihnen bestimmt auch der praktische Ratgeber für Menschen mit FORMAT.

Warum wir politisch korrekte Sprache brauchen

17. August 2022

Zwei hochaktuelle Debatten um politische Korrektheit prägen zurzeit unseren Wortschatz: zum einen unsere gendersensible Sprachwahl, zum anderen die Diskussion über Rassismus, rassistische Wörter und Bemerkungen.
 
Zum ersten Mal tauchte der Begriff „Political Correctness“ in den 1980er-Jahren in amerikanischen Universitäten auf. Als Gegenentwurf zur Verrohung. Die erste offensive Diskussion um das N-Wort gab es in Deutschland schon 2009. Eine Ursache dafür, warum Rassismus unsere Sprache prägt, ist auch die fehlende Aufarbeitung der deutschen Kolonialzeit. Darum ist uns nicht immer bewusst, ob und dass wir uns eines fremdenfeindlichen Stereotyps bedienen.
Um in einer diskriminierungsfreien Gesellschaft zu leben, müssen wir uns jedoch vermehrt mit dem Thema auseinandersetzen und sollten Interesse daran haben, angemessene Sprechweisen zu favorisieren. Mit einigen Klicks können sich heute alle über eine korrekte Ausdrucksweise informieren. Unzählige Webseiten listen rassistische Wörter auf und bieten Unterstützung für korrekte Alternativen an. Da wir ständig dazulernen, können wir auch unseren Sprachgebrauch anpassen.
 
Die Frage nach der Herkunft einer Person ist aus dem Smalltalk-Kanon herausgenommen worden. Sie sollte erst gestellt werden, wenn die Person besser bekannt ist und/oder der Mensch von sich aus etwas über die Familie erzählt, sonst kann es sein, dass der Unterschied zwischen den beiden Personen zu sehr hervorgehoben wird.
 
Rassistische Ausdrücke aus dem deutschen Sprachgebrauch
Begriffe, die durch die Kolonialisierung geprägt sind, entstanden zwar nicht in dieser Zeit, sind währenddessen aber so abwertend umgedeutet und verwendet worden, dass sie nicht benutzt werden sollten. Hier die wichtigsten kolonial-rassistischen Erbstücke der deutschen Sprache (und die des Vokabulars aus dem NS-Regim) sowie alternative Wörter, denen diese herabwürdigenden Bedeutungsanteile fehlen. Wichtig ist, dass wir politische Selbstbezeichnungen respektieren.
 
Farbige, farbig, dunkelhäutig, Mulatt*in, Mischling – Die Termini „Schwarze“ und „weiße“ Menschen beschreiben nicht die Hautfarbe, sondern sind politische Begriffe, die ausdrücken, ob eine Person von rassistischer Diskriminierung betroffen ist oder nicht. Selbstbezeichnung der Betroffenen: People of Color (PoC), Menschen of Color/Person of Color, Afrodeutsche*r.  „Biodeutsche*r“: einst scherzhaft-provokante Bezeichnung für Menschen ohne Migrationshintergrund wird nun von People of Color auch ernsthaft verwendet.
 
N-Wort/M-Wort – sind Begriffe, die Menschen schwarzer Hautfarbe beleidigen. Stattdessen: Schwarze*r Deutsche*r, Afroamerikaner*in oder Afrikaner*in, bzw. konkrete Benennung des Herkunftslandes.
 
Rasse – biologisch unterschiedliche „Menschenrassen“ aufgrund von äußeren Merkmalen gibt es nicht. „Rassen gibt es nur bei Haustieren“, so Johannes Krause, Direktor am Max-Planck-Institut Leipzig. Alternativ: Ethnie.
 
Zigeuner – die korrekte Bezeichnung lautet: Roma (so die Selbstbeschreibung) Männlicher Singular: Rom (Plural: Roma), weiblicher Singular: Romni (Plural: Romnja). Sinti/ Sintiza/Sinto/ Sintize sind die Nachfahren der Romagruppen.
 
Indianer – zusammenfassend: First American/Erstbewohner Amerikas, indigene Personen oder konkrete Bezeichnungen wie z. B. Tonkawa, Inkas.
„Squaw“ wird übrigens als Schimpfwort für eine indianische Frau verstanden. 
 
Weiterlesen bei www.oegg.deÖffentlichkeit gegen Gewalt e.V
 
Viele Vorurteile gegen andere Nationen finden sich in unserer Sprache wieder, die oft unbedacht verwendet wird. Daher sind auch Redewendungen wie „Rechnungen türken“ oder „herumzigeunern“ absolut unangebracht.
 
Wir werden nicht sprachlos, nur weil wir rassistische Begriffe aufgeben. Es ist so, wie mit jeder anderen Umgangsform auch: „Behandele Menschen, wie sie behandelt werden möchten!“ Alle haben einen Anspruch darauf, als Person geachtet zu werden. Eine Beleidigung ist dann eine, wenn sie als solche wahrgenommen wird – unser Gegenüber sie also als solche empfindet und sich diskriminiert fühlt.

Redaktion: Susanne Helbach-Grosser, TAKT & STIL, Imme Vogelsang, iv-imagetraining

Vielen Dank an meine Kollegin Susanne Helbach-Grosser, die für unser Netzwerk Etikette Trainer International diesen Beitrag geschrieben hat.

Wer sich gerne weiter mit dem Thema auseinandersetzten möchte, und das empfehle ich von Herzen, wird im Buch von Alice Hasters viele Antworten finden auf Fragen, die man sich bisher so vielleicht noch gar nie gestellt hat. Lesen Sie Was weiße Menschen nicht über Rassismus hören wollen aber wissen sollten. Die Autorin beschreibt eindrücklich, wie Rassismus ihren Alltag als Schwarze Frau in Deutschland prägt.