von Catherine Tenger | 29. Oktober 2024
Was GENAU machst du beruflich?
Diese Frage, in dieser Form, hören wir selten. Mit Betonung auf genau. Doch vielleicht sollten wir sie viel öfter so stellen – und vor allem beantworten. Ohne dieses kleine Wörtchen „genau“ bleiben viele Antworten unklar, oft sogar ein wenig belanglos. In der Regel greifen wir auf Titel oder allgemeine Berufsbezeichnungen zurück, und damit hat sich das Gespräch meist schon erledigt. Keine lebendige Diskussion, kein tiefergehender Austausch, und das Interesse flaut schnell ab.
Aber warum ist das so? Weil wir uns daran gewöhnt haben, unseren Beruf kurz und knapp zu umreißen, ohne darauf einzugehen, was wir daran eigentlich mögen oder was uns motiviert. Versuchen Sie es doch einmal anders: Wie würden Sie jemandem Ihren Beruf beschreiben, der nicht mit Ihrer Branche, Ihrem Unternehmen oder Fachgebiet vertraut ist? Was genau fasziniert Sie an Ihrer Tätigkeit? Welche Momente sind es, die Sie motivieren und die Ihnen Freude bereiten?
Spannend wird es nämlich, wenn wir Titel und Fachbegriffe beiseitelassen und stattdessen erzählen, warum wir uns für diesen Weg entschieden haben oder welche Erfahrungen uns geprägt haben. Wenn wir uns auf das „Warum“ und „Wie“ konzentrieren, entstehen lebendige, interessante Gespräche – und unser Gegenüber behält uns eher in Erinnerung.
Zwei Beispiele aus der Praxis: Wenn jemand sagt, „Ich arbeite in der Unternehmensberatung“, ist die Information begrenzt. Der Gesprächspartner hört es, nickt, aber kann selten viel damit anfangen. Wenn diese Person jedoch eine Konversation beginnt und sagt: „Nach dem Klischee bin ich eine „Problem-Erfinderin“ – so nennt man uns Beraterinnen ja gerne. Aber für mich ist der Job sehr spannend: Ich mag es, zu tüfteln und Lösungen zu finden. Ich liebe es, Dinge wie Fahrräder oder Kaffeemaschinen auseinanderzunehmen, wieder zusammenzusetzen und herauszufinden, wie man sie noch besser machen kann.“ – dann bleibt genau das haften. Die Freude am Job und das Engagement für den Beruf spiegeln sich in der Antwort, und das Gespräch öffnet sich. Oder anstatt „Ich bin Rhetorik-Coach“ könnte man sagen: „Ich helfe anderen dabei, ihre eigene Stimme zu finden und klarer mit ihrem Umfeld zu kommunizieren, und das ist für viele Menschen ein regelrechter Aha-Moment“. So entsteht sofort ein Bild im Kopf. Solche Beschreibungen machen Berufe greifbarer, erzeugen Sympathie und laden dazu ein, genauer nachzufragen.
Also, lassen Sie uns öfter etwas offener auf die Frage „Was machst du beruflich?“ eingehen. Es braucht ein wenig Übung und vielleicht etwas Mut, sich auf das persönliche „Warum“ einzulassen, doch genau darin liegt der Unterschied. Und wenn das Gespräch weitergeht, haben wir alle Zeit der Welt, unsere Kompetenzen ins Spiel zu bringen.
P.S. Falls einer der 66 Millionen Views von Simon Sineks TEDx Talk Start With Why von Ihnen stammt, wissen Sie, wovon ich spreche. Falls nicht: Das können Sie ändern. Die knapp 18 Minuten lohnen sich.