von Catherine Tenger | 6. September 2021
James Bond mag der Star sein, aber er ist lange nicht die einzige Marke, von der der Kultfilm lebt. Wann immer Miss Moneypenny erscheint, hat sie einen Auftritt. Und ihr Profil ist ein scharfes. Man muss nicht laut sein oder eine schillernde Figur, man muss sich nur richtig positionieren können.
Sobald wir mit Menschen zu tun haben, geben wir ein Bild ab, ob wir es wollen oder nicht. Dieses Bild zeigt anderen, wer wir sind und wofür wir stehen. Wenn wir nicht selber dafür sorgen, diese Qualitäten sichtbar und erlebbar zu machen, überlassen wir es den anderen, sich zusammenzureimen, was wir repräsentieren oder welche Fähigkeiten und Interessen wir haben könnten. Unser Gegenüber wird uns nämlich anhand der für ihn vorhandenen Information unbewusst einschätzen und das Ergebnis mit seinen eigenen Assoziationen kombinieren. Diese Information kann aus visuellen, nonverbalen Signalen bestehen und von unseren Handlungen und den Geschichten, die man über uns erzählt, gefärbt sein.
Da ist es doch besser, wir nehmen die Gestaltung unseres Profils selbst in die Hand und sorgen dafür, dass es – dort, wo es uns wichtig ist – ein scharfes ist.
Stellen Sie sich einen Eisberg vor. Das Verhältnis zwischen Höhe und Tiefgang beträgt durchschnittlich 1:6 und sichtbar für alle ist nur das, was oberhalb des Wasserspiegels herausragt. Ausser, man ist Polartaucher oder Fan von Naturdokus – dann sieht man auch den noch viel grösseren Brocken, der sich unter Wasser befindet. Ähnlich ist es bei Menschen: Was unter der Oberfläche liegt, sehen meistens nur enge Freunde, nahestehende Familienmitglieder und vielleicht noch ein Therapeut. Im Tiefgang unserer Persönlichkeit liegen Werte und Überzeugungen, Erfahrungen und Kompetenzen, Ängste und Träume, aber auch Temperament, Motivation und Selbstwertgefühl. Was obenauf schwimmt und für andere sicht- und erlebbar wird – also die Spitze des Eisbergs – sind unser Auftreten, unsere Handlungen und die uns eigene Art zu kommunizieren. Wenn die Spitze des Eisbergs spiegelt, was unter der Oberfläche passiert, werde ich als authentische Persönlichkeit wahrgenommen. Aber wenn die Spitze nicht zum unteren Teil passt, bleibe ich für andere Menschen eine Person, die nicht greifbar ist. Oder schlimmer, nicht glaubwürdig. Im Klartext: Wenn man bei der Arbeit zwar so auftritt, wie es die Branche oder das Unternehmen von einem erwartet, man das aber nicht mit den eigenen Werten vereinbaren kann, ist es entweder Zeit, den Job zu wechseln oder seine Überzeugungen zu überdenken.
Ich sage bewusst, „was unter der Oberfläche passiert“ und nicht, „was unter der Oberfläche ist“, denn unsere Persönlichkeit entspringt zwar zu einem Teil unserem genetischen Material, das uns wie ein Grundrauschen durchs ganze Leben begleitet. Allerdings kommt es sehr stark darauf an, was wir daraus machen. Oder anders gesagt: Manches hat Mutter Natur mit dem Permanentmarker geschrieben, vieles mit Bleistift. Und so können wir auch Einfluss darauf nehmen, wie wir wirken, was wir ausstrahlen und wofür wir bekannt sind. Was unter der Oberfläche liegt, hat die Kraft zu verändern, wie sich der Eisberg oberhalb des Wassers zeigt.
Bevor wir also überlegen, wie wir unsere Wirkung nach aussen gestalten, sollte uns glasklar sein, was sie denn reflektieren soll. Ein positives Selbstkonzept ist nämlich die Voraussetzung für eine charismatische Ausstrahlung und ein scharfes Profil. Es ist die Grundlage für Entscheidungen, Beurteilungen und Folgerungen, die man in Bezug auf sich selbst trifft und insofern ist es auch ausschlaggebend dafür, was wir ausstrahlen und wie wir wahrgenommen werden.
Daher fragen Sie sich zunächst einmal folgendes:
- Was sind Ihre Werte?
Meistens wissen wir ja intuitiv, was uns wichtig ist und nehmen es als für uns gegeben hin. Weniger oft finden wir die Zeit, es genau aufzuschreiben. Hinzu kommt, dass sich Wertehaltungen im Laufe des Lebens entwickeln und verändern. Was Ihnen heute wichtig ist, war vor 20 Jahren vielleicht noch unbedeutend und wofür Sie in zehn Jahren kämpfen werden, ist unter Umständen heute noch kein Thema. Kinder, Arbeit, Beziehungen, Gesundheit, Umwelt, Politik und vieles mehr haben darauf einen Einfluss. Wenn Sie mit dem Definieren Ihrer Werte nicht weiterkommen, denken Sie einfach mal darüber nach, worüber Sie sich am meisten ärgern. Das ist nämlich meistens ein Hinweis darauf, dass dabei einer Ihrer Grundwerte verletzt wird.
- Was haben Sie bis jetzt erreicht und worauf sind Sie stolz?
Ein gesundes Selbstvertrauen wird gefördert, wenn man sich hin und wieder daran erinnert, was einem schon alles gelungen ist und welche Herausforderungen man gemeistert hat. Egal ob es sich dabei um berufliche Leistungen oder persönliche Erfolgserlebnisse handelt – wir erkennen, welche unserer Fähigkeiten und Fertigkeiten dazu beigetragen haben und dass wir darauf bauen können. Ausserdem gibt es uns Hinweise darauf, wo unsere Stärken liegen. Oft nehmen wir persönliche Stärken gar nicht als solche wahr, weil uns die Dinge dann so einfach von der Hand gehen, dass wir es selbstverständlich finden. Aber je bewusster und häufiger wir unsere Stärken einsetzen, desto zufriedener sind wir, motivierter und engagierter. Wir sind in unserem Element, weil wir etwas nicht nur gut können, sondern auch noch gerne machen. Kurz gesagt: Wir haben einfach mehr Spass bei der Sache. Und was macht das mit unserer Ausstrahlung? Eben. Schaffen Sie sich darum regelmässig Raum und Gelegenheiten, in Ihrem Element zu agieren.
Negative Erlebnisse bleiben oft länger und intensiver im Gedächtnis haften als positive. Um den inneren Kritiker in die Schranken zu weisen, hilft es, sich die Erfolge aufzuschreiben und die Liste immer wieder mal durchzulesen. Sie haben bestimmt irgendwo ein paar Notizbücher, die hübsch und leer Staub ansammeln. Jetzt wissen Sie, was Sie damit machen könnten.
- Was sollen andere denken, fühlen oder sagen, wenn sie mit Ihnen oder Ihrem Namen in Kontakt kommen? Wie sollen sie eine Beziehung zu Ihnen erleben?
Eine gute Methode, diese Frage zu beantworten, ist es, sich vorzustellen, wie verschiedene Menschen an einem Fest zu Ihren Ehren eine Laudatio auf Sie halten – ein Familienmitglied, ein Freund, jemand aus Ihrem Arbeitsumfeld und vielleicht auch noch eine Person aus Ihrem Sportverein. Was würden Sie sich wünschen, dass diese Menschen über Sie sagen – darüber, wer Sie für sie sind, wofür Sie stehen, was Sie bewirken?
Wenn Sie sich über all diese Punkte im Klaren sind, können Sie sich die krönende Frage stellen:
- Wofür wollen Sie bekannt sein?
Suchen Sie sich nicht etwas Generisches aus, wie „Ich möchte als zuverlässig/motiviert/vertrauenswürdig gelten“ – lassen Sie das Teil Ihrer Grundausstattung sein. Überlegen Sie stattdessen: Womit wollen Sie auffallen? Möchten Sie vielleicht die Person sein, die unbequeme, aber inspirierende Fragen stellt? Der Mensch, der andere zusammenbringt, weil er ein gutes Gespür für wertvolle Kooperationen hat? Das Organisationstalent, das nicht nur gut planen kann, sondern auch aussergewöhnliche Ideen hat? Diejenige, die sich immer wieder neu erfindet? Derjenige, der seinen Mitarbeitern das Gefühl gibt, dass es in Ordnung ist, Fehler zu machen? Egal, wofür Sie sich entscheiden, es bedingt die Spiegelung Ihrer Werte sowie Kontinuität. Sie werden Ihr Profil nicht mit einer einmaligen Aktion schärfen können, Sie müssen immer wieder selbst dafür sorgen, dass das, wofür Sie bekannt sein wollen, von anderen wahrgenommen wird.
Apropos Miss Moneypenny: In der neuesten Ausgabe der Schweizer Fachzeitschrift für Office Managerinnen und Assistentinnen durfte ich ein Interview zum Thema „Ein wirkungsvoller Auftritt“ geben. Vielen Dank für das Gespräch!
P.S. Wenn Ihnen das gefällt, gefällt Ihnen bestimmt auch der praktische Ratgeber für Menschen mit FORMAT.