Wirkung und Ausstrahlung: Auch die Sprache macht’s

von Catherine Tenger | 30. März 2022

Heisst es Homeoffice, Home-Office oder Home Office? Wann ist es angebracht, einen Euphemismus in der Sprache zu gebrauchen? Und wie schreibt man eine Professorin im Brief richtig an? Ob Grammatik, Rechtschreibung, Wortherkunft oder guter Stil: Der geniale Sprachratgeber auf Duden Online gibt dazu Tipps und Hintergrundwissen.

Es ist genauso anspruchsvoll, etwas passend und differenziert auszudrücken, wie etwa gut zu malen oder schön zu singen. Goethe hatte einen aktiven Wortschatz von ca. 91’000 Wörtern. Das muss nicht Ihr Massstab sein, aber schon die blosse Vorstellung, dass wir so viele Möglichkeiten hätten, unseren Ausdruck zu gestalten, ist grossartig. Je nachdem, wie Sie Inhalt, Sprache und Worte wählen, mit denen Sie kommunizieren, verleihen Sie Ihrem Auftritt eine andere Qualität. Je mehr Wörter wir aktiv nutzen, desto abwechslungsreicher und spannender wird unsere Kommunikation. Das bedeutet allerdings nicht, dass Sie mit viel Fachsprache, blumigen Ausdrücken und Fremdwörtern um sich schlagen sollen. Das wäre kontraproduktiv, denn dieser Schuss geht in den meisten Fällen nach hinten los. Aber Sie können stilistische Mittel bewusst einsetzen. Unbewusst machen wir das sowieso. Oder würden Sie ihren Fallschirmsprung beim Vorstellungsgespräch mit den gleichen Worten beschreiben wie am Tisch mit Freunden? Dem Personalchef gegenüber schildern Sie den Sprung vielleicht als Grenzerfahrung und unter Freunden bezeichnen Sie das Erlebnis als „der absolute Hammer“. Das heisst ganz und gar nicht, dass man sich verstellt oder nicht authentisch wäre. Es bedeutet, dass man verschiedene Register zur Verfügung hat, die man der Situation entsprechend ziehen kann – ohne sich selbst zu verbiegen.

Sie können Ihren Wortschatz aktiv trainieren. Ich kenne jemanden, der sich zum Ziel gesetzt hat, jeden Tag ein neues Wort zu lernen – ob er es braucht oder nicht. Denn auch ein grosser passiver Wortschatz ist wertvoll. Das geht ganz einfach: Nehmen Sie einen Duden zur Hand und fangen Sie bei A an. Es gibt aber auch Online-Dienste, die einem die Vielfalt der deutschen Gegenwartssprache in die Mailbox senden, wenn man möchte – jeden Tag mit einem anderen Wort.

Und es gibt noch mehr Wege:

  • Spielen Sie abends hin und wieder mal Scrabble mit Freunden.
  • Lesen Sie Bücher, Blogs, Artikel, Zeitungen, Zeitschriften zu verschiedensten Themenbereichen und mit unterschiedlichen Sprachstilen.
  • Hören Sie Podcasts von Leuten, die sich gezielt ausdrücken, z.B. Alles Gesagt? von Zeit Online
  • Schreiben Sie hin und wieder mal Briefe – das ist nicht nur bereichernd für Ihren Wortschatz, sondern dazu noch für Ihre Beziehung zum Adressaten. Und auch für die Post.
  • Schreiben Sie das, was Sie in einer Präsentation sagen möchten, zuerst einmal auf und suchen Sie dann nach Synonymen und Gegenbegriffen für einzelne Wörter. Achten Sie aber darauf, dass die Sprache immer natürlich bleibt.

Hier noch ein Tipp: Verzichten Sie auf bestimmte Ausdrücke in gewissen Situationen, wenn Sie eine souveräne Wirkung erzielen möchten. Vermeiden Sie zum Beispiel „ich muss“ und „ich soll“. Das klingt, als ob man fremdbestimmt wäre. Also, wenn Ihnen jemand noch einen Auftrag auf Ihre schon übervolle To-Do-Liste laden will, sagen Sie lieber nicht: „Ich muss noch diese Aufgabe erledigen, bevor ich Deine Anfrage bearbeiten kann“, sondern besser: „Ok, ich will noch diese Aufgabe erledigen, bevor ich Deine Anfrage bearbeite.“ Oder: „Ich erledige das hier noch und dann kümmere ich mich gleich um Deinen Auftrag.“

Sprache hat Wirkung. Nicht nur, weil sie unsere persönliche Wirkungskraft beeinflusst, sondern auch, weil sie unser Denken und Handeln formen kann. Sprache reflektiert Einstellungen, Bewertungen und Sichtweisen. Und darum ist eine faire und inklusive Sprache ganz einfach eine Haltungsfrage.

Meine Kollegin Susanne Helbach-Grosser von unserem Netzwerk Etikette Trainer International hat die wichtigsten Werkzeuge für eine respektvolle, inkludierende Sprache zusammengestellt:

  • Die einfachste Möglichkeit der gendersensiblen Sprache, ist die Beid-Nennung/Paar-Form in femininer und maskuliner Form (z. B. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter). Dies kann jedoch zur Überfrachtung in Text und Aussprache führen und berücksichtigt keine anderen geschlechtlichen Varianten.
  • Wollen wir alle Geschlechter ansprechen, benutzen wir Synonyme oder Umschreibungen: Die Leute im Team, Kollegium, Kundschaft, Steuerpflichtige, Direktion, Fachwissen, Teilnahmeliste, Reinigungspersonal…
  • Wir bilden Relativsätze: „Alle, die sich angemeldet haben, …“ statt: „Alle Angemeldeten haben …“
  • Wir wählen die direkte Anrede: Anstelle von: „Jeder muss die Vereinbarung unterschreiben“ „Bitte unterschreiben Sie die Vereinbarung.“ Bei einer Stellenanzeige zum Beispiel: „Kommen Sie in unser Team!“ So umgehen wir die Formulierung: „Bewerber*innen gesucht!“
  • Passivkonstruktionen verwenden: „Das Formular ist vollständig auszufüllen“ oder „Die Vorlage muss alle Punkte enthalten.“
  • Indefinitpronomen umformulieren: „Jemand, der so etwas sagt …“ in „Alle, die so etwas sagen …“  
  • Wenn Adjektive das Wort „Mann“ enthalten oder sich auf Personen beziehen, kann so gegendert werden: fachmännisch gleich fachkundig, Anfängerkurs gleich Einstiegskurs oder Kurs für Anfänger*innen.
  • An sich schon geschlechtsneutrale Wörter werden nicht gegendert, wie z. B. das Wort Mensch. Dieses Wort ist grammatikalisch gesehen zwar männlich, es bezeichnet aber sowohl Männer als auch Frauen und nichtbinäre Personen. Folgende Wörter haben auch kein feststehendes, grammatikalisches Geschlecht: die Person, das Mitglied, der Star, der Nerd, das Kind, das Individuum, der Liebling etc.

Den ganzen Artikel dazu können Sie hier lesen.

Bestimmen Sie aktiv mit, welchen Effekt Sie auf andere haben – denn einen Effekt haben Sie so oder so. Bestenfalls sind wir morgens, wenn wir die Augen öffnen, noch komplett wirkungsfrei. Aber schon mit dem ersten „hallo“ ist das vorbei.